Wielandgut Oßmannstedt

Volker Friebel

 

Wielandgut Oßmannstedt, Blick von der Landstraße

 

In Oßmannstedt nahe Weimar liegt das gleichnamige Gut. Das Gutshaus wurde auf einem ehemaligen Rittergut 1757 bis 1762 von einem Minister des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach errichtet. Christoph Martin Wieland (1733-1813) kaufte das Anwesen im Jahr 1797. Er, geboren in Oberholzheim bei Biberach an der Riß (Oberschwaben), galt damals als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftsteller und war der Älteste des „klassischen Viergestirns von Weimar“ (neben ihm Herder, Goethe und Schiller). Heute scheint er weitgehend vergessen.

Sechs Jahre lang lebte Wieland mit seiner Familie auf diesem Gut und versuchte sich, wenig erfolgreich, als Gutsherr. Doch er schrieb hier auch, und zahlreiche Dichter gingen in seinem gastfreundlichen Haus ein und aus: so Goethe, Schiller, Heinrich von Kleist, Jean Paul, Friedrich Hölderlin. Mai 1803 verkaufte Wieland das Anwesen an einen Hamburger Kaufmann und zog wieder nach Weimar. Heute gehört das Gut zur Klassik Stiftung Weimar.

Im weitläufigen Park liegt eine Grabstätte, direkt an der Ilm, die einige Kilometer flussauf durch einen anderen Park fließt, in Weimar. Drei Gräber umfriedet der Zaun, in ihrer Mitte steht ein Obelisk. Jede seiner Seiten ist einem der Gräber zugewandt, eingraviert sind drei Namen.

Als erste wurde hier Sophie Brentano bestattet (ihre Großmutter Marie Sophie von La Roche war früher mit Wieland verlobt), eine Schwester des bekannten Dichters, die bei einem Besuch im Jahre 1800 schwer erkrankte und starb, erst 24-jährig. Ein Jahr später wurde Wielands Frau Anna Dorothea (1746-1801) beerdigt. Und im Januar 1813 der Dichter selbst. Er hatte für dieses Grab ein Distichon gedichtet: „Liebe und Freundschaft umschlang die verwandten Seelen im Leben, Und ihr Sterbliches deckt dieser gemeinsame Stein.“

Von der Zugstation ein ehrlicher Weg durch das Dorf und zum Gut an der Ausfallstraße. Eines der Gebäude ist eine Schule geworden, die Kinder gehen gerade zum Spielplatz auf der anderen Seite des Guts. Wir schauen uns um, in der Mittagsstunde.

 

Gartenscheren im Gras.
Gärtner halten Mittagspause –
abseits der Rosen.

 

Rosengarten Wielandgut Oßmannstedt, ganz im Hintergrund Wielands Statue

Gut Oßmannstedt

Jenseits der Rosen
sind Wiesen mit Bäumen,
ist ein Fluss, und am Fluss
eine Gedenkstätte
mit drei Gräbern.
Die Menschen in ihnen
sind vergessen,
ihre Namen den Archiven
eingemeißelt.

Duft von Jasmin.
Vögel singen.
Die Erde atmet einen weiteren Sommer.
Die Taube gurrt von der Wahrheit
des Augenblicks.
Doch wir, zwei Menschen, neigen uns
vor der Güte.

 

Von Wielands Nase
zu seiner Schulter ein Spinnefaden.
Gefangen Flaum.

 

Grabmal der Wielands und Sophie Brentanos im Park des Wielandguts Oßmannstedt, hinter dem Zaun die Ilm

 

Ein Gang vom Rosengarten durch den Park, zum Grabmal der Wielands und Sophie Brentanos. Drei Gräber. Dahinter fließt, vom Regen der letzten Tage braun angeschwollen, die Ilm.

Ein Vater kommt mit seinem Sohn, sie legen zwei Fahrräder in das Gras, ein großes, ein kleines, gehen hinunter zum Fluss. Bald zieht Zigarettenrauch über die Gräber, verdrängt den Duft von Jasmin.

Wir lauschen den Vögeln und dem Vergehen der Zeit.

Einer Zeit, die stürzt, wie die Wasser der rasenden Ilm.

Ich will mit dem Jasmin vergehen und am anderen Ufer des Flusses wiedergeboren werden, als Schmetterling.

 

Wielands Gut –
durchgesetzt hat sich
das Gras.