Weltfriedensglocke Berlin

Friedrichshain.
Die Weltfriedensglocke,
ohne Schlegel.

Vor dem Hotelfrühstück unternehmen wir zu zweit einen Spaziergang in den gegenüberliegenden Volkspark Friedrichshain. Als erstes sehen wir an einer Hecke im Gras einen Menschen, im Schlafsack. Wehmütig schön dahinter die bunten Blätter der Bäume. Im Großen Teich schaukeln Mandarinenten, nicht weniger bunt. Ein junger Mann führt seinen Hund am Halsband, lächelt.

Wir treffen am Teich auf einen kleinen Pavillon in asiatischem Stil, mit aufgehängter Glocke, einen Meter hoch, schweres Metall ohne Schlegel, mit der Inschrift „Frieden“, auf Deutsch und Japanisch. Eine Weltfriedensglocke, erfahre ich.

Ein Japaner, Chiyoji Nakagawa, schuf die erste davon, die er aus seinem Schwert und Münzen aus 26 Ländern der Erde goss, und eine zweite, die 1954 als Geschenk des japanischen Volkes vor dem Sitz der UN in New York aufgestellt wurde, gegossen aus Münzen aller Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen.

Der Schöpfer gründete später einen Verein, weitere Glocken entstanden in einigen Ländern der Erde. Auch hier im Friedrichshain, damals DDR, als Geschenk der Gesellschaft, am 1. September 1989 zum 50. Jahrestag des Beginns des 2. Weltkriegs eingeweiht. Jährlich zum Abwurf der Atombombe auf Hiroshima führt die Gesellschaft ein Treffen durch.

Wir schlagen das Metall mit der flachen Hand, einen Ton für jede der vier Himmelsrichtungen der Erde, und lauschen, bis die Glocke verklingt, inmitten von fallendem Laub.

Und erinnern uns, dass wir schon einmal vor einer Glocke für den Frieden in der Welt standen, auf dem Tai Shan, einem der heiligen Berge Chinas, dass wir schon einmal für den Frieden Metall klingen ließen, aus dem andere lieber Kanonen bauen oder Pflüge.

Es scheint nichts geholfen zu haben. Um den Frieden steht es heute schlechter als damals, und es wird, wie es aussieht, noch schlimmer werden.

So viele Denk- und Mahnmale gibt es in Berlin, aber vom Frieden entfernen wir uns, und von Gerechtigkeit, seiner Grundlage, scheinen wir weiter entfernt, als zu Zeiten der Barrikaden. Das Verbindende zwischen den Menschen schwindet und die Not wächst. Das Dach des Pavillons, aus Kupfer, wurde 2012 von Metalldieben gestohlen.

Die einfachen Menschen sind taub und stumm geworden und kennen sich nicht, nur noch die Reichen und Mächtigen verändern die Welt, mit ihrer Gier, ihrem Hass, ihrer Eitelkeit.

Doch wie der Flügelschlag des Schmetterlings und das fallende Blatt nicht verloren sind, sondern, unsichtbar, ihre Spur in der Welt weiterziehen, in allem, was sie berühren, so mag es auch mit den Tönen des Friedens sein.

Vielleicht werden sie von den Wogen der Kriegsschiffe eine Zeit überspült. Aber die Hoffnung, dass sie unter den mächtigen Brechern immer noch wirken und, wenn die Menschen der Faszination der Gewalt müde geworden sind, wieder hörbar werden, ist da, weil das immer so ist, weil das immer so sein wird, auch neben dem letzten Baum inmitten Ruinen.

Fallendes Laub.
Sie füttert Spatzen inmitten
der Welt.

Ein loser Pflasterstein
liegt im Gras,
bedeckt von Herbstlaub.

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