Wanderung zu den Geologischen Orgeln

Ein milder alter Mann – auf einem Waldweg irgendwo hinter Ottobeuren im Unterallgäu kommt er uns mit seinem Wanderstock entgegen. Er geht sehr langsam. Er nickt zum Gruß. Das Lächeln auf seinem Gesicht war schon vorher da.

Ein Hof, mit Zufahrt zum Weg. Am Verschlag ein Lobgedicht auf den Bauernstand. Andere Sprüche, Zeichnungen. Es braucht wenig in der Welt für ein freundliches Gesicht.

Wir wandern quer zu den Tälern. Ein schöner Sommertag. Das Licht auf meinem Hut. Der Schweiß darunter. Wer ich bin, weiß ich nicht. Aber ich kenne manche Blumen mit Namen, manche Büsche und Bäume, manche Gräser, manche Vögel des Walds und des Felds. Ich grüße die anderen Wanderer.

Ein deutlicher Wind geht, versucht den Schweiß zu trocknen, schafft es nicht ganz.

Erste Zwetschgen werden blau, auf einem der Bäume vor dem Bauernhof dieser Hochfläche zwischen zwei Tälern. Rufe von Schwalben aus dem Stall. Das Dach ist mit Sonnenkollektoren bestückt. Von dieser Sonne leben wir alle. In Ottobeuren der Glücksplanetenweg beginnt mit der Sonne.

Bienenstöcke, am Waldrand unter den hohen Fichten. Ihr Summen liegt unter jeder Musik, ist in der Tiefe unter jeder Dichtung vorhanden.

Rote Beeren der Eberesche. Ein Feld roter Klee auf dem Rücken zwischen zwei Tälern.

Auch im Wald ist es schwül. Nach dem Regen der Nacht ist die Luftfeuchtigkeit hoch. Bremsen umschwirren uns. Indisches Springkraut. Brombeeren reifen. Erstaunlicherweise auch gelegentlich Himbeeren, die es bei uns zu Hause kaum mehr wild gibt. Schachtelhalme, Blumen, Büsche und Bäume.

Die Geologischen Orgeln liegen an einem Steilhang im Wald. Kohlensaures Regenwasser frass während einer Kaltzeit in den Nagelfluh (verbackenes kieshaltiges Gestein) Vertiefungen, die Röhren ähneln.

Meine Kamera verarbeitet das Licht kaum, das durch dieses eine entdeckte Loch fällt, die Sonne steht dahinter, die Luft ist schwer und feucht.

Der Felshang ist nicht sehr hoch und keine 100 Meter breit, schätze ich. Ein Wanderpfad führt hinauf, die steilen Stufen mit Schotter gefüllt. Alles gar nicht so spektakulär – und dennoch ein schönes Ziel für eine Wanderung.

Weil es uns immer zum Besonderen zieht und weniger zu den einfachen Gräsern, zum Wiesenbach, zum ganz normalen Kleeblatt, das zwischen all den anderen Kleeblättern wächst.

Das ist in unseren Genen eingeschrieben, weil der Sinn für das Besondere, Überraschende, möglicherweise Gefährliche, möglicherweise Gelegenheiten Bietende unser Überleben begünstigt. So schauen wir vor diesem bröckelnden Fels tief in uns selbst.

Und in unsere Gene geschrieben ist der Sinn für Geschichten. Weil wir von diesen das lernen können, was über alles direkt Sagbare hinausgeht. Eine Wanderung ist keine Geschichte, sie ist sinnlos, außer für eben die Wanderer. Ich lasse sie so stehen.

 

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