In Wäldern finden …

„Glaube mir, Du wirst mehr in Wäldern finden, als in Büchern. Bäume und Tiere werden Dich lehren, was kein Lehrmeister Dir zu hören gibt.“

(Bernhard von Clairvaux, 1090-1153, bedeutendster Mönch der Zisterzienser, eines Reformordens, der auch hinter diesem Waldtor in Bebenhausen um das Jahr 1190 ein Kloster übernahm.)

 

Diesen Satz hat wohl ein Förster vor langer Zeit an das Waldtor setzen lassen. Ich ging schon oft an ihm vorbei, heute sinne ich auf meiner Wanderung um die Worte.

Das Zitat verweist auf eine Zeit, in der Wörter wie ‚Ökosystem‘ oder ‚Ökologie‘ noch wenig verbreitet waren, vielleicht noch gar nicht erfunden.

Aber das Leben mit der Natur war im Rahmen des damaligen Wissens wahrscheinlich besser verwirklicht, als von uns aufgeklärten Nachfahren, die wir einiges über Naturzusammenhänge gelernt haben, mehr aber noch uns darin vervollkommnen, die ganze Welt nach unseren Maßstäben zu messen, zu fixieren, zu schneiden und umzuwandeln, nachhaltig, verantwortungsbewusst unseren Nachkommen gegenüber, mit Öko-Zertifikat und Steuerpflicht.

Und ja, auch ich möchte nicht, dass sich meine Heimat in der Folge des Klimas und anderer Veränderungen entwaldet.

Was bleibt da dem Zauberlehrling übrig, als andere und immer bessere Tricks aus dem Hut zu ziehen, die gemachten Schäden wieder zu beseitigen und nebenbei noch die widerspenstige Natur für unseren Gebrauch weiter zu optimieren?

Wer einmal damit angefangen hat, die Natur beherrschen zu wollen, hat damit sein Verhältnis zu ihr auf immer verändert. Ins Paradies kommt er nie mehr zurück.

Technische Mittel werden nicht genügen. Weil das fehlt, das jede Technik erst zu einem Erfolg führen kann, der kein zwiespältiger ist, der die Welt, die Umwelttechnik zu schützen vorgibt, nicht noch weiter zerstört. Was das aber ist, weiß keiner. Ich auch nicht.

Vielleicht wusste dieser längst verstorbene Mönch etwas davon, vielleicht der Förster.

Martin Heidegger schreibt in seinem Buch „Die Technik und die Kehre“ (1962), dass in der modernen Technik die Gegenstände zum Bestand werden. Die Bäume, denen ich gegenüber stehe, werden zum Forst, zum Holzlieferanten. Und der Mensch wird zum Besteller des Bestands, zum Förster, zum Verwaltungsangestellten. Und wird dabei von den höheren Lagen seiner Hierarchie bald selbst nur noch als Bestand genommen. „Indessen spreizt sich gerade der so bedrohte Mensch in die Gestalt des Herrn der Erde auf.“

Ich streiche über die Gräser am Wegrand, berühre Rinde und Zweig. Die Unterscheidung von herkömmlicher und moderner Technik, die Heidegger trifft, kann ich trotz großem Bedauern nicht nachvollziehen. Ich denke, das, was Heidegger anspricht, zieht einen Riss bis an den Anfang der Welt und ins Herz jedes Menschen.

Ohne Technik, alter wie neuer, würde dieses Land innerhalb von Wochen menschenleer. Verzicht auf Technik kann die Antwort nicht sein.

Weshalb sie alleine nicht ausreicht und was ihr fehlt – die Bäume wissen es nicht und nicht der Himmel. Doch Frühling in der Menschenwelt kann es erst wieder werden, wenn die Fragen darüber beginnen.

 


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