Schneckensalat

Entspannungsgeschichte

 

Du steigst mit Mieze vom Wolkenschloss in ein Traumland hinunter, an langsam treibenden Wolken vorbei, Stufe um Stufe. Stell dir vor, wie du mit jeder Stufe ruhiger und freudiger wirst.

Die Treppe endet am Waldrand vor einem wackligen Haus. Ein Schild hängt am Torbogen zwischen den Rosen: „Willkommen!“, steht darauf. Aber: „Eintritt für Schnecken verboten!“, liest Mieze laut vom Schild an der offenen Gartentür.

„Was nun: Willkommen oder verboten?“, fragst du.

„Wir sind keine Schnecken“, maunzt Mieze königlich und tritt in den Garten. Du folgst ihr.

Im Garten hängt ein weiteres Schild: „Bleibt aus meinem Salat!“, liest Mieze. Und gleich daneben: „Hier gibt es nichts für euch zu holen, haut ab!“

In den Salatbeeten tummeln sich Schnecken. „Für die sind die Schilder“, schnurrt Mieze. „Aber lesen können sie nicht“, sagst du und lachst.

Da öffnet sich die Haustür und eine alte Frau stürmt in den Garten. Genau vor euch steckt sie ein weiteres Schild in die Erde. Sie funkelt euch wütend an, kehrt um und lässt die Haustür laut hinter sich zuknallen. „Lachen verboten!“, liest Mieze langsam vor.

Da öffnet sich die Haustür schon wieder. Die Frau stürmt erneut heraus, steckt ein weiteres Schild in den Rasen und verschwindet wieder im Haus. „Ja, ihr, genau euch meine ich, raus hier!“, liest Mieze.

Du wunderst dich, denn die Gartentür stand doch offen. Aber wo du nicht willkommen bist, willst du auch nicht bleiben. Ihr geht zum Gartentor. Als ihr an der Haustür vorbeikommt, hört ihr ein lautes Poltern, gefolgt von einem Knall.

„Im Haus stöhnt jemand“, schnurrt Mieze und spaziert ungerührt weiter auf das Gartentor zu.

„Wir können nicht einfach gehen“, meinst du. „Vielleicht hat sich die Frau etwas gebrochen!“

Mieze lenkt deinen Blick auf die Haustür. „Eintritt verboten!“, liest sie laut.

„Trotzdem“, sagst du. Das Stöhnen ist lauter geworden. „Du kommst nur weit mit Freundlichkeit.“ Vorsichtig trittst du ins Haus. Mieze folgt dir.

Im Haus ist ein einziges Durcheinander. Zwischen Schachteln und Müllsäcken liegt die alte Frau. Du hilfst ihr auf einen Stuhl. Sie stöhnt laut.

„Ich glaube, der Fuß ist gebrochen“, meint Mieze.

„Wir holen den Arzt“, sagst du.

„Telefon habe ich keines, das haben die Schnecken gefressen“, schluchzt die Frau. „Alles wollen sie mir nehmen! Nur ihr seid gut!“

„Wir holen besser gleich zwei Ärzte“, meint Mieze und macht sich auf den Weg.

Du bleibst und hilfst der alten Frau ins Bett. Dort wird sie ruhiger. Sie erzählt dir von ihrem Garten und wie gern sie ihn hat. „Aber die Schnecken, sie fressen einfach alles auf! Früher sind oft Kinder gekommen. Ich habe ihnen Kuchen gebacken. Wir haben gespielt und gelacht. Aber seit die Schnecken die Schaukel gefressen haben, kommt niemand mehr, und ich bin allein.“ Ihre Tränen laufen.

Endlich kommt Mieze mit einem Arzt. Während der die Frau untersucht, verabschiedet ihr euch. „Kommt einmal wieder“, sagt sie.

Im Gras unter dem Apfelbaum liegen ein gebrochener Ast und eine Schaukel. „Was sie nur mit den Schnecken hat?“, fragst du.

„Ich glaube, sie spinnt“, sagt Mieze.

„Vielleicht sollten wir wirklich wieder vorbeischauen“, sagst du.

„Du kommst nur weit mit Freundlichkeit“, schnurrt Mieze.

Ihr geht zur Wolkentreppe zurück. Stufe um Stufe steigt ihr empor. Mit jeder Stufe merkst du, wie du ruhiger wirst.

Im Wolkenschloss legst du dich auf das große blaue Sofa und schließt deine Augen.

 

Da liegst du – ganz ruhig. Kannst du die Ruhe in dir spüren? Die Ruhe ist überall in dir. – Kannst du spüren, wie schwer du bist? Dein ganzer Körper ist schwer, angenehm schwer. – Kannst du spüren, wie warm du bist? Die Wärme strömt durch deinen ganzen Körper. Du bist warm, angenehm warm. – Dein Atem geht ein und aus, ein und aus, ganz ruhig und gleichmäßig, ganz von allein. – Du bist ruhig, schwer und warm – ruhig, schwer und warm. – So liegst du ein Weilchen und ruhst dich aus. Du ruhst dich aus und spürst die neue Kraft tief in dir wachsen.

 

Damit kommt die Geschichte langsam zum Ende. Wenn du bereit bist, reckst und streckst du dich und öffnest die Augen.

 


Diese Entspannungsgeschichte stammt aus dem Buch: Volker Friebel (2019): Entspannungsgeschichten vom Wolkenschloss. Edition Blaue Felder, Tübingen. PapierBuch und eBuch.

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