Marokko 10: Casablanca

Volker Friebel

 

Casablanca – ich habe den Film nie gemocht, die Kriegspropaganda spritzt mir überdeutlich heraus. Muss man das übersehen, wenn es für das ‚Gute‘ und gegen das ‚Böse‘ geht? Vielleicht färbt ein Krieg und das Leid, das er über alle bringt, und die Härte, die ein Kampf auf Leben und Tod jedem abverlangt, beide Seiten so sehr, dass es irgendwann allerdings der Propaganda bedarf, um Schwarz und Weiß klar zu unterscheiden und für die eigene Sache zu motivieren. Das ist menschlich. Ich mag es trotzdem nicht.

Der Film wurde 1942 in Hollywood gedreht, die Stadt Casablanca hat damit wenig zu tun. Mit etwa dreieinhalb Millionen Bewohnern (einschließlich der Vororte sind es sieben Millionen) ist sie die größte Stadt Marokkos. Eine Vorgängersiedlung bestand schon im 8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung als Hauptstadt eines Berberreichs.

Casa blanca ist spanisch und bedeutet „Weißes Haus“. Diesen Namen trägt die Stadt schon seit einigen Jahrhunderten, erst in portugiesischer, dann in arabischer Version. Weiß ist die vorherrschende Farbe sowohl der Häuser als auch des Strandes. Und weiß sind die Spitzen der Wellen.

Ein Großteil der marokkanischen Industrie hat hier ihren Sitz. Über den Hafen der Stadt werden mehr als die Hälfte des marokkanischen Seehandels umgesetzt.

Wir besuchen weder die Viertel der Reichen noch die der Armen, sondern nur den Strand und die Hassan-II.-Moschee.

Sie ist beeindruckend, eine der größten Moscheen, das Minarett mit 210 Metern das höchste religiöse Gebäude der Welt (das Ulmer Münster ist als höchster Kirchturm auf dem Erdenrund 161 Meter hoch). 25.000 Menschen finden in der Gebetshalle Platz.

Marokko steht vergleichsweise gut da. Maßstab sind die anderen islamischen Länder Nordafrikas. Das Problem der ungleichen Verteilung von Reichtum stellt sich aber wie überall, und es stellt sich kaum am belebten Sandstrand. An Palästen und prächtigen Moscheen aber besonders.

Da lässt sich hin und her argumentieren. Wäre das Geld nicht besser in wirtschaftlichen Investitionen angelegt, um den bedrängten Bevölkerungsschichten damit eine Perspektive zu schaffen, vor allem der Landbevölkerung, die in Massen zu den Fernsehern, den Mopeds, den Telefonen, den Kühlschränken in die Armenviertel der Städte strömt? Stärken Gebäude wie diese Moschee die Menschen nicht, machen sie stolz auf sich selbst, als das Volk, das so etwas geschaffen hat, und ist ein gutes Selbstwertgefühl nicht wichtiger als alles, was sich an Investitionen mit diesem Geld sonst vielleicht, vielleicht hätte schaffen lassen? Stolz und Selbstvertrauen überdauern leichter, das Geld für wirtschaftliche Investitionen ist meistens schnell fort und nützt oft nicht denen, für die es gedacht ist.

Wir bewundern die Moschee. Und verlassen sie unsicher, mit gemischten Gefühlen. Denn es kommt vor allem auf die Menschen des Landes an, ob die Moschee ihre Prüfung besteht. Die Marokkaner, die wir auf ihrem Gelände sehen, wirken allerdings erhoben. Was meinen die in den Vorstädten?

Casablanca, ob Film oder Stadt, meine gemischten Gefühle gehören einfach dazu.

 

Offene Moschee.
Zwei Tauben fliegen auf
in das Blau.

Casablanca.
Am Strand eine Muschel,
zwischen Plastikdeckeln.

Sinkende Sonne.
Auf der Straße nach Casablanca
ein Eselskarren.

 

Casablanca, Hassan-II.-Moschee
Casablanca, Hassan-II.-Moschee
Casablanca, Hassan-II.-Moschee
Casablanca, Strand

 

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