Volker Friebel
Von Marrakesch im Landesinneren haben wir bis zur Küste etwa 175 Kilometer.
An einer Tankstelle die rote Flagge Marokkos im Wind.
Ich denke an die Wüste zurück und freue mich über die Fruchtbarkeit des Landes. Am Straßenrand Äcker. Von einem Minarett betrachtet stolz ein Storch seinen Besitz.
An einem Eisenholzbaum halten wir: Ziegen sind in seine Krone geklettert, starren in unsere Kameras.
Das Werbeplakat einer Kooperative, in der Frauen aus den Beeren des Arganbaums, der nur hier und in einer Gegend Algeriens vorkommt, ein kostbares Öl gewinnen.
Für einen Liter handgepressten Argan-Öls braucht es, so hören wir, 30 Kilogramm Früchte, was dem Ertrag von vier oder fünf Bäumen entspricht. Und zwei Tage Arbeit, traditionell den Frauen zugeordnet. Das Öl ist teuer, hat aber trotzdem eine Nachfrage in Gastronomie, Kosmetik, Haarpflege. Wir wünschen der Kooperative viel Glück!
Auf einer Anhöhe über dem Atlantik halten wir für den Blick über das Meer und Essaouira, ein schönes Hafenstädtchen mit gut erhaltener mittelalterlicher Altstadt. Es ist eine phönizische Gründung aus dem 7. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, also noch sehr viel älter als alles, was heute an Menschenwerk um uns zu sehen ist.
Vermutlich hier, auf Mogador, der größten Insel der Bucht, lag zu phönizischer Zeit der äußerste Außenposten der Antike. Heute leben vor allem Berber in der Stadt, 85.000 Menschen sollen es sein.
Café am Meer –
Wogen bringen
das Glitzern herein.
Café am Hafen.
Ein leeres Boot,
mitten im Gleißen.
Fußball spielen
am Strand. Einer kickt
Richtung Meer.
Aus der Stadt tönt der Muezzin. Ein Wind vom Meer bläst Möwen über die Mauer.
Von Essaouira fahren wir an der Atlantikküste entlang 150 Kilometer nach Norden, Richtung Safi.
Hinterm Ansturm des Meers
auf Marokko:
weißer Sand.
Schafherden. Marokkanerinnen im Feld grüßen unseren Bus.
Im Staub des Straßensaums kommt unserem Blechungetüm ein Mann auf seinem Esel entgegen. Seine schaukelnde Bewegung kennen auch wir: Die Straße redet mit allen, die auf ihr unterwegs sind.
Eine zerfallene Mauer läuft bis zum Strand hinunter, zu den tanzenden Wellen. Auf der einen Seite grasen Schafe, auf der anderen grünt Weizen.
Ein Mann und ein Esel pflügen ihr Feld.
Im Wind weht wieder rot die Flagge des Königreichs.
Ursprünglich einfach aus rotem Tuch, fügte der Sultan der Flagge im Jahre 1915 auf Veranlassung der französischen Besatzer in der Mitte ein grünes Pentagramm hinzu, das „Siegel des Salomon“. Rot steht für die Aliden, die Nachkommen von Ali, dem Schwiegersohn Mohammeds (eine seiner Frauen war Mohammeds Tochter Fatima), auch die Königsdynastie Marokkos zählt sich dazu. Grün steht für den Islam. Die Form des Pentagramms stehe für Leben und Gesundheit, lesen wir – und erinnern uns, dass das Pentagramm im Mittelalter auch im Westen als Bannzeichen gegen das Böse verwendet wurde, etwa in Goethes „Faust“ kommt es dergestalt vor.
Safi ist gleichfalls eine Hafenstadt, und es ist Industriestandort, die 350.000 Einwohner sind meist zugewanderte Berber aus dem Umland. Sehenswert ist die Altstadt.
Möwenschwingen,
die Unterseite gefärbt
vom Morgenrot.
Am nächsten Morgen rollt unser Bus weiter, die Küste entlang, 250 Kilometer nach Casablanca, an der Brandung des Meeres.
Zwischen Steinmauern, die von den Hügeln abwärts laufen, enden die Farben der Felder im Meer.
Mohnblumen. Die roten Gewänder der Marokkanerinnen, die auf der Straße an ihnen vorbei gehen.
Über Reisfeldern schweben Möwen. Gebückte Männer im Feld, unter der Bläue des Himmels.
Wir kommen durch El Jadida. Die Hafenstadt geht vielleicht auf eine karthagische Siedlung zurück.
Ende des 15. Jahrhunderts errichtete hier Portugal einen Stützpunkt zur Proviantversorgung seiner Schiffe auf dem Seeweg nach Indien. Im Laufe der Zeit wurde der Stützpunkt zur Festung. Eine Kanone steht noch immer auf der Mauer vor ihrer Schießscharte und zeigt Richtung Meer, doch ist umgestürzt.
Nach Verfall und Neubesiedlung der Stadt hat sie heute etwa 200.000 Einwohner und ist ein wichtiges Handelszentrum sowie Verwaltungssitz der Provinz.
Unser Bus aber rollt weiter.
Ein Eselkarren
voll Gras. Das Leuchten
des Himmels.
Bröckelnde Mauer.
Die Männer im Schatten
schweigen.