Marokko 6: Wüstensaum – Straße der Kashbas

Volker Friebel

 

Wecken – aufstehen – hinaus in pechschwarze Nacht – einsteigen. Aus den Scheinwerfern unserer Geländewagen tanzen gleißende Geisterfinger über die Wüste. Rütteln und Schütteln. Wir sehen den Staub, den feinen Sand nicht, wir spüren ihn, er dringt in uns ein.

Wüsten-Nachtfahrt.
Im Scheinwerfer auffliegend
ein Taubenpaar.

 

An den Dünen von Erg Chebbi halten wir. In diesem Gebiet enden die befestigten Straßen. Algerien ist nahe. Algerien und die Sahara.

Aussteigen in die Morgendämmerung. Bis zu 150 Meter hoch sollen die Sanddünen sein. Elisabeth und ich gehen ein Stück in sie hinein, bis wir von Dünen umgeben sind. Ein paar dürre Halme halten sich hier und da irgendwie. An ihnen vorbei schnürt die Spur eines Wüstenfuchses.

Auf einem Dünenkamm setzen wir uns, schütteln den Sand aus unseren Schuhen, lauschen in das Dämmern hinein.

Das also ist die Wüste. Das also sind wir in der Wüste. Das also ist die Stille, wenn sie nicht nur ein Wort ist. Hier werden wir bleiben, eine Weile, um am Ende der Zeit fortzugehen.

 

Wüstendünen.
An der Stille
zerrt ein Wind.

Zwischen Saharadünen
Sonnenaufgang – irgendwo
kräht ein Hahn.

 

Etwa 35 Kilometer von den Dünen Erg Chebbis entfernt in der Oasenlandschaft des Tafilalet liegt Rissani, am Ziz, der hier, nahe der Wüste, nur noch selten Wasser führt.

25.000 Einwohner, das ist nicht wenig, so nahe der Wüste, hier ist die Armut zu Hause. Und der König.

Die Alawiden, das herrschende Königsgeschlecht Marokkos, stammen aus dem Tafilalet und kümmert sich immer wieder besonders auch um Rissani. Wir betreten das Ksar Abouam, das von ihnen restauriert wurde.

Ein Ksar ist eine kleine befestigte Siedlung – oder allgemeiner: eine befestigte Anlage, auch in einem Dorf, jedenfalls ländlich gelegen. Innerhalb der Mauern gibt es Wohnraum, enge Gassen, kleine Plätze.

Kasbah nennt man eine solche befestigte Anlage innerhalb einer Stadt, und wenn sie ausschließlich militärischen Zwecken dient.

Ein Ksar ist in erster Linie Wohnraum oder Speicher. Die meisten dieser Gebilde zerfallen, sie sind aus Stampflehm gebaut, und ihre Mauern wurden mit der Entwicklung der Waffentechnik funktionslos. Was bleibt ist Tourismus und eine Kulisse zum Teppichverkauf.

Wir streichen durch die finsteren Gassen des Ksar. Da kommt uns entgegen – ein Kind.

Rast im Ksar.
Die singende Stimme
des Teppichhändlers.

Teppichverkauf.
Wände und Waren dämpfen den Ruf
zum Freitagsgebet.

 

Es gab Tee im Ksar, nun sausen wir durch die Halbwüste. Eine Wüste aus Stein, aus gelegentlichen Versuchen von Pflanzen und Ziegen, die Lebbarkeit auch dieser Einöde zu zeigen. Ein paar schwarze Ziegen laufen vor unserer Staubwolke davon, entkommen zu den Stacheln dürrer Büsche.

Am Wüstenlack
vorbei,
ein Klavierstück im Kopf.

Wüstenlack, das ist ein Überzug aus Tonmineralien auf Steinen der Wüste, dunkel, manchmal glänzend, er mag einen Musiker an den schwarzen Lack eines Klaviers erinnern.

Der Name verbindet sich irgendwie mit einer Melodie, die in meinem Kopf kreist, zum Klavierstück. Die Halbwüste zieht an uns vorbei, die Melodie bleibt. Bei der Einfahrt in die nächste Stadt ist sie immer noch da.

 

Erg Chebbi, Sanddünen, Sonnenaufgang
Erg Chebbi, Sanddünen
Landschaft Halbwüste
Kamele am Straßenrand
Tinghir, Stadt in der Flussoase

 

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