Volker Friebel
Vor die Klostermauer Benediktbeuern sind Tafeln gesetzt. Eine davon thematisiert das Schweigen, auf das Ordensgründer Benedikt großen Wert gelegt hat.
In den Ordensregeln heißt es: „Mag es sich also um noch so gute, heilige und aufbauende Gespräche handeln, vollkommenen Jüngern werde nur selten das Reden erlaubt wegen der Bedeutung der Schweigsamkeit“ (Regel Benedikt, Kapitel 6,3).
Die Tafel führt aus, das geschehe wegen der Würde des Wortes. „Wir können pausenlos kommunizieren und dabei doch nichts sagen. „Den Weisen erkennt man an den wenigen Worten.“ (Regel Benedikt 7, 61)“.
Ganz Kind unserer Zeit, thematisiert die Tafel nicht das andere, das Schweigen mit sich bringt. Dass es nämlich das Lauschen stärkt. Wenn wir handeln – und auch Reden gehört dazu –, hören wir schlecht. Schweigen ist eine Vorbedingung für Lauschen.
Für Benedikt und seinen vollkommenen Jünger ist das ein Lauschen auf Gott. Für andere Menschen, andere „Jünger“, das Lauschen auf andere Götter, die vielleicht nur andere Bilder sind – oder das Lauschen auf die Stimmen in uns selbst, die in diesem Schweigen überhaupt erst hörbar werden – oder das Lauschen auf das Himmelreich, wenn es doch etwas außerhalb von uns geben sollte.
Lauschen meint aber nicht einfach nur zuhören. Wer zuhört, ist fixiert, hat einen Bezug, dem er zuhört. Was außerhalb davon existiert, muss er ausblenden, um zuhören zu können.
Lauschen ist breiter. Es hat kein festes Gegenüber – außer dem Horizont oder die Weite und Tiefe der Welt und des Himmels. Was da erscheint, wenn einer lauscht, kann bemerkt werden, dem kann sich kurz zugewandt werden – das Lauschen beendet die Zuwendung aber bald wieder, wenn es dauern will, ansonsten geht es über ins Zuhören.
Zuhören ist wichtig – Lauschen ist wichtig. Beides wird vom Dauerberieseln durch die Medien, die aktiv um unsere Aufmerksamkeit streiten, schwer bis unmöglich gemacht, vor allem das Lauschen.
Zuhören hat die Fixierung auf ein anderes und das Ausblenden des Rests schon in sich. Es kann sich auch in einer Reizüberflutung halten, sie setzt ihm zu, schwächt es vielleicht, beendet es aber nicht zwangsläufig.
Lauschen dagegen ist nicht automatisch mit einem Ausblenden verbunden, sondern mit Offenheit. Da die Welt heute sehr laut ist, gibt es deshalb Lauschen kaum mehr. Vielleicht nur noch für die Menschen, die sich Raum und Zeit für das Lauschen schaffen und dafür den Strom der Medien aussperren.
Unser Leben besteht aus Handeln und Wahrnehmen, darunter das Lauschen und das Zuhören. Ihr Gleichgewicht oder ein richtiges oder heilsames Verhältnis ist wichtig, nicht die Dominanz des einen über das andere, auch nicht die des Lauschens. Ich denke, dass die Lärmverschmutzung mit ihrem nicht endenden Strom von Reizen uns zu viel in das Handeln bringt – aber nur in so ein Wischen und Klicken, das vielleicht unseren Geist und unsere Finger zufriedenstellt, doch nicht unseren ganzen Körper. Und das alle Wahrnehmung erschwert, sei es nun Zuhören oder Lauschen.
Im Fluss der endlosen Ereignisse meinen wir, mehr zu erleben denn je und Vielfältigeres, als die Menschen an Reizen ärmerer Zeiten. Tatsächlich aber verarmen in diesem Fluss unsere natürlichen Fähigkeiten, so das Lauschen, die auch natürliche Bedürfnisse sind. Und wir leiden unter einem Übermaß an kleinem Handeln, dem Handeln unserer Fingerkuppen, das auf die Dauer unseren Hunger nicht sättigt, während die Breite unseres Lebens abnimmt und seine Farben in allem Mediengewitter verblassen.