Volker Friebel
Luang Prabang
Noch in der Nacht wandern wir zur Hauptstraße, wo allmorgendlich die Almosen-Prozession der Mönche stattfindet, das Tak Bat.
Ocker-Gewänder.
Almosengang. Über dem Wat
der Morgenstern.
Stern und Mönche, Straßenbeleuchtung und Autoscheinwerfer strahlen unterschiedslos vor den Einheimischen und den Touristen. Als der Zug der Mönche vorüber ist, beginnt der Himmel hell zu werden.
Höhlen von Pak Ou
Wir haben eine Bootsfahrt zu den Höhlen von Pak Ou gebucht, etwa 25 Kilometer flussaufwärts der Stadt. Nun, auf dem Weg von der Unterkunft zur Anlegestelle, kommen wir an einer Statue der Erdgöttin vorbei, bewundern den Wasserstrom aus der schwarzen Flut ihrer Haare. Mit diesem Strom soll sie dem späteren Buddha geholfen haben, als Mara, der Versucher, und seine Armee, ihn vom Erwachen abhalten wollten: Sie spülte alle fort. Der Mekong ist Teil dieser Fluten. Doch seine Farbe ist anders, er führt viel Lehm mit sich.
Mekong flussauf –
unser Langboot teilt die braunen Haare
der Göttin.
Wir rasten in einem Dorf am Ufer, für eine Schnapsprobe. Am Ufer lässt eine Frau den Motor ihres Boots an, legt das Steuer um, fährt hinein in den Strom. Der Sand des Ufers bleibt zurück. Ihre Augen tanzen zwischen Wellen. Der Himmel ist blau. Der Tag wird heiß, wieder bis 35 Grad Celsius. Über dem Wasser flattert ein Kohlweißling.
Wir fahren weiter, kommen an Sandbänken vorbei. Schreie von Vögeln durchstoßen das Tuckern unseres Boots.
An einer Biegung des Flusses, gegenüber der Mündung des Nam Ou in den Mekong, ragen Kalkstein-Klippen. Dort ist die Anlege, zu der wir wollen. Von ihr geht es einige Stufen hinauf zu den beiden Höhlen, die nur über diesen Weg und das Boot zu erreichen sind. Zahlreiche Buddhastatuen unterschiedlicher Größe befinden sich hier, manche schon seit Jahrhunderten.
Der Legende nach sollen die ersten Statuen hier aufgestellt worden sein, um eine Flussgottheit zu beschwichtigen, die Boote kentern ließ. Später wurden Statuen auch von Pilgern als Opfer dargebracht oder in unsicheren Zeiten, um ihre Eigentümer vor Plünderungen zu schützen. Statuen wurden nicht nur gebracht, sondern auch wieder herausgenommen, heute ist nur noch ein Bruchteil vorhanden, schmutzig-grau, golden.
Wir zeigen den Göttern und Menschen unsere Verehrung.
Buddha-Grotten.
Mit jedem Schritt des Pilgers
hebt sich Staub.
Unsere Mittagsrast halten wir in einem Dorf auf der anderen Seite des Flusses, wo das klare Wasser des Nam Ou in den schlammigen Mekong fließt. Elisabeth und ich sitzen im Schatten an einem Hauseingang. Die Schule ist aus. Zwei Mädchen kaufen sich am Stand einen Schleck und trödeln dann plappernd nach Hause. Wir lächeln. Alles vertraut.
Auch einige Elefanten werden in der Nähe gehalten. Wir sehen zu, wie Touristen vom ersten Stock eines Häuschens auf einen davon herabsteigen, für einen Ausritt.
Ein junger Elefant tanzt an seiner stählernen Kette. Der Alte mit den ausgefranzten Ohren daneben blinzelt uns an. Seine Ketten sind leichter und fester, sie liegen in seinem Geist, wo niemand sie mehr lösen kann. Auf dem Erde duften gewaltige Kotfladen.
Uns ist nicht wohl. Allerdings, die Elefanten verdienen sich einfach ihren Lebensunterhalt, wie ihre Besitzer, die Menschen, auch. So lässt sich hin und her argumentieren. Aber diese stolzen, aufrechten Wesen!
Wer von uns Menschen ist wirklich frei? Kann es bei frei und unfrei Abstufungen geben: halbfrei, neunzehntel frei? Etwa in der Art: „Ich bin zu siebzehn Hundertstel frei – und Sie?“ Wie bestimmt man das?
Natürlich, weist Elisabeth mich zurecht, wir alle existieren nicht unabhängig in der Welt, sondern in Bindungen. Manche empfinden wir heftig, andere fallen kaum auf.
Sind Verliebte unfrei, weil ihre Bindungen besonders stark sind? Fallen uns Bindungen erst dann auf, wenn sie unangenehm werden? Benutzen wir vielleicht nur bei unangenehmen Bindungen Wörter wie „unfrei“ oder „abhängig“? Wäre Freiheit dann nur ein Gefühl? Machen Begriffe wie „frei“ oder „unfrei“ überhaupt einen Sinn, außer in einem Anfänger-Seminar der Universität oder der Plapperstunde eines Rundfunksenders?
Zwei Jungen –
am Mekong-Ufer werfen sie
Sand hoch.
Unser Langboot trägt uns flussab. Kinder spielen an einem flachen Strandstück Wasserfußball. Die Fahrt ist angenehm. Ich nicke immer wieder ins Motortuckern.
Zurück in Luang Prabang
Mit Fragen um Sinn und Freiheit zurück in der Stadt gibt es ein besonderes Abendessen, im Restaurant am Lotosteich. Eine laue Nacht. Musiker spielen. Auf einer Bühne werden klassische laotische Tänze gezeigt. Wenn die Musiker pausieren, zirpen Grillen.
Laue Nacht.
Palmen, im Tanz erstarrt,
unter der Mondschale.
Und unter Sternen.