Geheimnis der Kiefer

Fantasiereise für Jugendliche und Erwachsene

 

Mach es dir bequem … Deine Augen können sich schließen und die angenehme Ruhe spüren … Du spürst vielleicht schon, wie gut es sich anfühlt, einfach so da zu sein, in den Bildern …

 

Stell dir ein Gebirge vor – und einen Hang am Gebirge, wo vom See der Wald hochsteigt, dann spärlich wird, bis nur noch einzelne Bäume hier und da an geschützten Orten wachsen …

Stell dir an einem dieser Orte, an einem großen Felsblock, eine Kiefer vor, alt, vom Wetter zerzaust …

Eine lange Narbe, die den Stamm hinabreicht, erinnert an den Blitz, der die Kiefer einst traf … Vielleicht erinnern die Wurzeln sich noch an den Sturm. Die Nadeln, die der Baum nun trägt, wissen nichts mehr davon …

Ein Tannenhäher pickt an einem der Kiefernzapfen, immer wieder … Nach einer Zeit fliegt er weg, über das spärliche Gras der Höhe hinunter zum Bergwald …

Das Murmeln eines Bächleins klingt manchmal, wenn der Wind entsprechend steht, bis zum Baum. Zu sehen ist das Bächlein nicht. Nie könnte der Baum je erfahren, zu was dieses Geräusch denn gehört … Aber der strömende Regen klingt ähnlich, nicht gleich, aber ähnlich … Aber der böige Wind an manchen Tagen klingt ähnlich …

Die Sterne nachts dagegen sind still … Und der Mond … Wenn jemand einen Ton des Monds und der Sterne hören würde, der hörte vielleicht nur sich selbst … Oder etwas anderes in der Luft, das sich dem Hören sonst entzieht, weil es so leise ist, und das nur hörbar zu werden scheint, wenn alles sonst still ist … Vielleicht das Vibrieren der Luft, das Tanzen der Luftmoleküle, das doch vielleicht auch ein Geräusch machen könnte, ganz leise, unhörbar …

In dieser Stille oder in diesem winzig kleinen Geräusch der Stille, scheint ein Geheimnis zu liegen … Ein Geheimnis, das niemand verraten kann, weil es in Worte nicht zu fassen ist … Weil es sich jeder Sprache entzieht … Jeder Sprache der Menschen … Aber auch die Sprachen der Wale oder der Affen oder der Krähen verstehen es nicht, weil keine Sprache es fassen kann, weil gerade das Fassen dieses Geheimnisses nicht möglich ist … Vielleicht gelingt es der Kiefer, in diesem Geheimnis zu sein, dieses Geheimnis zu leben …

Wie das auch dem Schmetterling gelingt und dem Grashalm am Bach, der von seinem Wasser trinkt …

Wie es dem kleinen Käfer gelingt, der auf dem Grashalm gelandet ist, ein wenig in der Sonne ruht – und dann die Flügel ausbreitet und weiterfliegt …

Die Kiefer steht einfach hier, im Gebirge … Vielleicht kannst du in sie hören, so wie du manchmal auch in dich selbst hören kannst … Vielleicht spürst du dann die Ruhe in ihr und die Kraft … Es ist eine Ruhe und eine Kraft, die alles durchzieht, die auch am Grunde von dir selbst zu spüren ist, wenn du in dich hineinhorchst …

 

Nun verblassen die Bilder. Du spürst wieder den Raum um dich und hörst seine Geräusche … Du spürst deinen Atem. Seine Ruhe ist immer in dir … Öffne die Augen, reck dich und streck dich …

 


Diese Fantasiereise stammt aus dem Buch: Volker Friebel (2022): Fantasiereisen für Jugendliche und Erwachsene. Entspannung mit Inneren Bildern. Edition Blaue Felder, Tübingen. PapierBuch und eBuch.

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