Demission

Sehr geehrte Damen, Herren und Diverse in Berlin und den anderen Zentren der Macht,

mit großem Interesse verfolge ich Ihre Diskussion, das Geschlecht als soziale Zuschreibung zu demaskieren, die auch geändert werden kann, wenn der doch eher zufällige Passeintrag dem Empfinden seines Trägers widerspricht. Denn diese Diskussion erlaubt mir vielleicht, mich mit meinem gleichfalls existenziellen Anliegen an Sie zu wenden. Kurz gesagt:

Ich bin ein Bär.

Als Mensch geboren, ja, von zwei Menschen gezeugt, ja, mit gestempelter Geburtsurkunde, die ich vorlegen kann. Deshalb bestehe ich auch weiterhin auf den vollen Umfang meiner Bürgerrechte, da sich diese aus meiner Geburt und nicht aus meinem Empfinden herleiten. Angesprochen werden möchte ich aber bitte als Bär!

Muss ich mein Anliegen begründen? In meiner Kindheit empfand ich mich durchaus als Mensch oder hätte doch mindestens gerne dazugehört, trotz meiner schon damals oft empfundenen Fremdheit. Mit den zunehmenden Jahren und Erfahrungen wurde es mir aber immer unmöglicher, mich als einer der Ihren zu betrachten und ich bitte daher, meine Demission zur Kenntnis zu nehmen.

Über die aus meinem Coming-Out entstehenden Ungelegenheiten bin ich mir wahrscheinlich nur unzureichend im Klaren. Trotz allem Unbehagen aber: Ich kann nicht anders!

Fügen Sie also bitte bei Ihren Anweisungen an die Bürgerschaft zu den Damen, Herren und Diversen noch die Bären hinzu. Denn ich bin sicher, dass ich nicht der einzige meiner Art unter euch Menschen bin. Und wir Bären möchten nicht nach unseren Geschlechtern aufgeteilt und abgerichtet und generell nicht euch Menschen zugeordnet werden, wenn wir auch darauf bestehen müssen, vollwertige Staatsbürger zu sein.

Meine Einträge im Pass möchte ich deswegen beibehalten, da ich fürchte, ansonsten in manchen weniger abgeklärten und dafür flintenreicheren Ländern der Welt missverstanden zu werden.

Im Gegenzug und als vorläufiger kleiner Ausgleich für die jahrhundertelange Unterdrückung von uns Bären selbst hier, verzichte ich aber gern auf mein Recht, besteuert zu werden.

Mehr möchte ich gar nicht erbitten. Vielleicht nur noch, dass Sie etwas für die Wälder und die Bienen tun, denen es unter Ihnen nicht gut geht und die ich liebe.

PS: Bitte berücksichtigen Sie meine Demission auch bei Ihrer überfälligen parallelen Diskussion zum Postkolonialismus: Wir Bären waren hier schon immer zu Hause und möchten gern bleiben, auch wenn die Menschen und ihre Machthaber als Folge der praktischen Anwendung Ihrer Erkenntnisse womöglich bald gehen müssen.

 


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