Träume

Volker Friebel (2025): Träume. Bernsteintropfen. Lieder. Audio-Album. Label: Edition Blaue Felder (LC 99060), Distributor: MusicHub. EAN: 4064946525269. Laufzeit: 2:23:21 Stunden.

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1 Morgenerwachen am Amselkloster 3:26
2 Was ist in dir 4:02
3 Die Stunde wenn die Zeichen 2:32
4 Dein Herz 1:49
5 Kokosnuss 1:31
6 Ein Meer 4:09
7 Alles nur ein Licht 1:49
8 Gedankenreich 3:32
9 Pfad am Amselkloster 2:38
10 Weißt du ob Schnee liegt 2:49
11 Herz der Welt 2:04
12 Der letzte Stein 4:45
13 Wolkenspur 4:56
14 Scherben 2:45
15 Silberwind 3:19
16 Im Schneekristall 3:46
17 Tanzen kannst 3:03
18 Fenster (9) 2:26
19 Dunkle Schwingen 4:38
20 Rast am Amselkloster 4:30
21 Zwei Muscheln 3:38
22 Geborgen 5:51
23 Licht entfacht 2:36
24 Lös dich von allen Dingen 3:34
25 Zieht 2:35
26 In diese Träume reichen 3:33
27 Am Himmel pochen 3:01
28 Weißt du, wie der Stern steht 3:17
29 Junivollmond 3:03
30 Unter dem Meermond 3:00
31 Wie lang 4:12
32 Moospolster im Zauberwald 2:56
33 Träumt 2:37
34 Hin und her 2:31
35 Wunderbare Welt 3:20
36 Julivollmond 2:34
37 Wald am Amselkloster 7:34
38 Nichts endet dort 1:45
39 So ferne Stimmen 1:27
40 Auf Rosenblättern 3:36
41 Winterduft 3:11
42 Die Astern da ums Haus 4:15
43 Die Heide 4:25

Erstveröffentlichung: Do. 03.04.2025
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Diese 37 Lied- und 6 Instrumentalaufnahmen datieren Mai 1999 bis Juli 2001, das letzte sogar Dezember 2002. Mit einer Fahrradfahrt am Samstag, 21.08.1999, durch den Schönbuch nach Herrenberg und über das Ammertal heim nach Tübingen, kehrten im Goldersbachtal mit ‚Was ist in dir‘, die Lieder zurück, zwei Jahre lang. Sie heute neu aufzunehmen, kann ich mir nicht vorstellen, zu anders sehe ich einige Biegungen des Flusses später Lyrik und Musik. Doch sie vergessen möchte ich auch nicht. Und so habe ich sie denn im März 2025 etwas bearbeitet und gebe sie nun in all ihrer Unvollkommenheit an den Strand, als Bernsteintropfen, zwischen Muscheln und Tang.

Was ist in dir

Was ist in dir, das leise spricht,
zu niemand, und du hörst es nicht?,
und gehst doch seinem Flüstern nach
und fragst dann andre, wer da sprach.

Was ist in dir, das leise singt,
wenn draußen Sturm dir Blätter bringt?,
ins alte Haus, zersprungnes Glas,
doch in der Mitte regt sich was.

Was ist in dir, das leise tanzt,
wenn du schon kaum mehr atmen kannst?,
und fliegt davon: hinaus, hinein.
Leben und Tod, was kann das sein?

Was ist in dir, das stets vergeht,
bei jedem Atem neu entsteht
und unterm Atem doch schon liegt,
das niemals kämpft und immer siegt?

Ist es ein Traum, ist es ein Wort,
ist es die Zeit selbst, ists ein Ort?
Ists das, was du im andern liebst
und dem du alle Münzen gibst?

Du lachst, du tanzt, du singst ihm vor,
die ganze Welt ist schon dein Chor,
doch es nicht, niemals hörts dir zu,
und dreht sich doch, änderst dich du.

Sa. 21.08.1999, Schönbuch bei Tübingen, Fahrradfahrt Goldersbachtal

 

Die Stunde wenn die Zeichen

Die Stunde wenn die Zeichen
im stillen Meer dann untergehen,
sie wird auch dich erreichen,
du wirst sie sehen.

Du wirst die Lider schließen
(die Augen träumen immer fort)
und sie vielleicht genießen,
die Stille, nach dem letzten Wort.

Ein Vogel mag noch klagen,
die Schwingen schwarz vorm hellen Mond,
du weißt nichts mehr zu sagen
und nichts mehr, was zu fragen lohnt,

zur Stunde, wenn die Zeichen
im weichen Meer dann untergehen.
Von allen ihren Reichen
wirst du das letzte sehen.

Di. 24.08.1999, Tübingen, Denzenbergstraße

 

Dein Herz

Kein Lächeln,
ein Blick nur,
ich lieb dich.
Es ist dein Herz.
Wie es durch Fenster schaut.
Die Welt ist bunt hinter Gittern.

Di. 31.08.1999, Tübingen, Denzenbergstraße, Arbeitszimmer, nachts, Improvisation zur Gitarre

 

Kokosnuss

Wenn du die Walnuss nicht magst,
dann knack doch die Haselnuss.
Wenn du die Walnuss nicht magst,
dann knack doch die Haselnuss.
Wenn du die Walnuss nicht magst,
dann knack doch die Kokosnuss.
Wenn du die Walnuss nicht magst,
dann knack doch die Kokosnuss.

Mi. 01.09.1999, Tübingen, Denzenbergstraße, Spontanlied

 

Ein Meer

Du schickst mir Sand vom fernen Meer
in deinem Brief, er ist nicht schwer,
voll Sonne, Duft, und frischem Wind.
Die Tränen lösten sich geschwind
im Meer, im Meer, im fernen Meer.

Du schreibst von Steinen, Grillensang,
von leichten Schritten, Zeit ist lang,
und lang ist frei, der Atem gut.
Und etwas fließt auch mir ins Blut
vom Meer, vom Meer, vom fernen Meer.

Du schreibst, dass du nicht so viel fragst,
und ganz am Schluss, dass du mich magst.
Und wärst du hier, wie schön das wär.
Die Augen zu: Ich hör es her,
das Meer, das Meer, das ferne Meer.

Und alle Tränen auf der Welt,
durch alle Zeiten, ungezählt,
vielleicht sind hinterm Damm die eins.
Vielleicht hat jeder auch nur seins,
ein Meer, ein Meer, ein tiefes Meer.

Mo. 06.09.1999, Tübingen, Denzenbergstraße

 

Alles nur ein Licht

Alles nur ein Licht? Oder sinds viele?
Alles nur dein Licht? Seele, sprich.
Die Sterne rauschen.
Ich weiß nicht was, doch ich weiß, es ist gut.

Sa. 04.01.1986, Tübingen

 

Gedankenreich

Ein Blatt im Wind,
da wiegt sichs hin und her.
Gedanken sind
so leicht oder so schwer.
Die reinen Lüfte heben
das Dunkle, Helle – alles gleich.
Wie Asterndüfte schweben,
hier im Gedankenreich.

Di. 07.09.1999, Tübingen, Alter Botanischer Garten

 

Weißt du ob Schnee liegt

Weißt du ob Schnee liegt?
Sterne mögen scheinen.
Weißt du ob Schnee liegt?
Ein Mond mag ziehn.

Rose im Herzen,
bedeckt mit Schnee.
Rose im Herzen,
kein Stachel tut weh.

Weißt du ob Schnee liegt?
Sterne mögen gehn.
Weißt du ob Schnee liegt?
Ein Mond mag ziehn.

Rose im –
Rose im –
Rose im Herzen,

So. 05.12.1999, Tübingen, Denzenbergstraße

 

Herz der Welt

Blätter im Wind, Blätter.
Blätter im Wind, Blätter.
Ich lieb den Wind, den ihr zeigt.
Ich lieb den Himmel, den ihr zeigt.
Ich lieb das Herz der Welt.

Flocken im Wind, Schneeflocken.
Flocken im Wind, Schneeflocken.
Ich lieb den Himmel, den ihr zeigt.
Ich lieb die Sterne, die ihr zeigt.
Ich lieb das Herz der Welt.

Sa. 11.12.1999, Tübingen, Denzenbergstraße, Spontanlied

 

Der letzte Stein

Du bist so weit gegangen.
Nun setz dich auf den müden Stein.
Wo willst du hingelangen?
Nun trink von deinem letzten Wein.

Die Augen musst du schließen.
Da ist kein Nein und ist kein Ja.
Und in dir nun die Wiesen
durch die du gingst. Nun bist du da.

Nun sind die Bilder innen,
von deinen Träumen, deinem Gang.
Du kannst nichts mehr gewinnen,
du hast es, und du hasts schon lang.

Nun auf dem letzten Stein hier.
Die Tränen laufen heiß hinab.
Du weißt, du bist allein hier.
Zerbrochen ist dein Wanderstab.

Die Bilder müssen fließen.
Niemals ein Ende, bis zum Meer,
in das sie sich ergießen.
Du lässt es, ohne Gegenwehr.

Der Stein ist fortgetragen,
zernagt vom Wasser und vom Wind.
Es gibt nichts mehr zu sagen.
Wo all die Sandkörner nun sind?

Am Meer laufen die Wellen
den Strand hinauf, mit Muscheln, Tang.
Den Sand kann niemand zählen.
Der zählte alle Tage lang.

So. 12.12.1999, Tübingen, Denzenbergstraße 29

 

Wolkenspur

Dein Leben sitzt du auf dem Boden
im Bahnhof, und die Zeit ist lang.
Und um dich wechseln schnell die Moden
und Schatten ziehen übern Hang.

Die Wolkenfährten siehst du glühen,
mit jeder Stunde mehr und mehr.
Schließt du die Augen mal, dann blühen
von innen Blumen zu dir her.

Lautsprecher scheppern, doch den Ohren
wird alles nur ein stiller Ton.
Hast du den Schlüssel denn verloren?
Das Schloss. Die Augen offen schon.

Da oben: Lass den Blick nur folgen.
Alles ist einfach, atme nur.
Ein Zug fährt los, über ihm Wolken,
um den Planeten ihre Spur.

So. 26.12.1999, Spiez, Bahnhof, Zugfahrt Tübingen – Kandersteg, abends; Sturmblockaden, auf meiner Tasche sitzend; Überarbeitung sowie die ganzen Strophen 3 und 4: So. 23.01.2000, Tübingen, Denzenbergstraße 29

 

Scherben

Schnell Schritte vor, zur Seite, springen.
Gesiegt, besiegt: na, abgehetzt.
Erst spät kommt wieder dann das Singen.
Das leise Lachen kommt zuletzt.

Windmühlenflügel drehn und drehn sich,
doch Wind geht immer vorwärts bloß.
Die Augen dort im Spiegel sehn sich.
Er fällt, zerbricht: Du bist ihn los.

Das leise Lachen über Scherben,
unter den Schritten knirscht es hart.
Am Messer hat sie viele Kerben.
Du brummst etwas in deinen Bart.

Alles ist gut, kannst du es singen.
Alles ist schlecht, schaust du zu tief.
Wenn du noch lachst, kann es gelingen.
Und mancher lachte sich schon schief.

So. 23.01.2000, Tübingen, Denzenbergstraße 29

 

Silberwind

Weites Feld – ein Schnee gefallen
und der Himmel glänzt nun blau.
Möchte heiße Zeichen malen,
denn ich denke an die Frau.
Sieben laue kranke Winter,
nur zwei Krähen flattern blind.
Sieben bald gestorbne Kinder …
Aber jetzt: Wir sind doch, sind.

Schnee im Haar und Eiskristalle,
und die Sonne im Gesicht.
Baut der Jäger eine Falle?
Doch er fängt uns damit nicht.
Sieben laue kranke Winter,
nur zwei Krähen flattern blind.
Sieben bald gestorbne Kinder …
Aber jetzt: der Silberwind.

Erst aus Eis und Schnee die Wärme,
aus dem Abgrund erst das Licht,
Stille erst aus dem Gelärme,
Duft nachdem die Rose sticht.
Sieben laue kranke Winter,
nur zwei Krähen flattern blind.
Sieben bald gestorbne Kinder …
Aber jetzt: der Silberwind.

Mo. 24.01.2000, Tübingen, Bushaltestelle Horemer; dritte Strophe: Mi. 26.01.2000 Tübingen, Denzenbergstraße

 

Im Schneekristall

Wie die Sonne blitzt im Schneekristall.
Wie der stille Mond durch Nacht aus Glas.
Wie die Kerzenflamme singt und tanzt.
Wie die Sonne blitzt im Schneekristall.

Wie der Himmel endlos, weit und klar.
Wie der Vogel singt im kahlen Baum.
Wie das erste Schneeglöckchen erwacht.
Wie der Himmel endlos, weit und klar.

Wie die Ufer, weich am Wiesenbach.
Wie die eine Flocke aus dem Blau.
Wie das Herz der Welt dort unterm Schnee.
Wie die Ufer, weich am Wiesenbach.

Fr. 28.01.2000, Tübingen, Denzenbergstraße

 

Tanzen kannst

Hinter der Flamme dein Gesicht,
mondbraunes Haar und grüne Augen.
Das Reh, du bists und bist es nicht,
die Katze. Aber Namen taugen
nicht viel, nicht viel, die Flamme tanzt,
und wir. Und was du tanzen kannst.

Hinter der Flamme Linien, rund,
und Glut und Wärme, und ein Sehnen.
Die Zungen reden sich noch wund,
leer in den Raum. He, sag es denen:
Zu viel, zu viel, die Flamme tanzt,
und wir. Und was du tanzen kannst.

Nun nimm sie weg, den Punkt, den Strich,
die Fläche – und zwei Rätsel bleiben,
und noch ein Wort: „Ich liebe dich.“
Das wird lang in der Wahrheit treiben.
Doch hier, doch hier: die Flamme tanzt,
und wir. Und was du tanzen kannst.

So. 30.01.2000, erste Strophe: Tübingen, Hauptbahnhof; Rest: Zugfahrt Tübingen – Sigmaringen

 

Fenster (9)

Scherben am Boden noch.
Es knirscht als du kommst.
Der Blick aber weit über Land.
Das Fenster ist frisch verglast.

Do. 03.02.2000, Tübingen, Denzenbergstraße

 

Dunkle Schwingen

Zwei Kerzen leuchten, und die Rose
blüht frei im Raum, ihr Duft ist Feuer.
Die Augen schließ, schau nicht hinaus.
Das Böse hat das Land verdunkelt,
es nistet hier, die schwarzen Schwingen
löschen die Sterne und den Mond.

Die Worte wollen schnell verhallen,
nur dieser Raum und diese Wände.
Hinter den Lidern schimmert Meer.
Das Böse hat das Land verdunkelt,
es nistet hier, die schwarzen Schwingen
löschen die Sterne und den Mond.

Die Sterne haben hergefunden,
der Mond singt hier im stillen Zimmer.
Hinter den Lidern schimmert Gold.
Das Böse hat das Land verdunkelt,
es nistet hier, die schwarzen Schwingen
löschen die Sterne und den Mond.

Die Steine wollen endlich reden,
dein Atem bringt sie schon zum zittern.
Hinter den Lidern glüht die Welt.
Das Böse hat Berlin verdunkelt,
es nistet dort, die schwarzen Schwingen
löschen die Sterne und den Mond.

Fr. 04.02.2000, Tübingen, Denzenbergstraße

 

Zwei Muscheln

Verborgen wie zwei Muscheln schlummern,
sanft unterm Schnee, hoch oben im Gebirg.
Sie wissen nicht, dass sich das Meer,
das weite Meer verzogen hat, verlaufen hat,
die Täler abwärts, hintern Horizont.

Verborgen schlummern wie zwei Muscheln,
sanft unterm Schnee, nah Herz an Herz.
Die Tränen sind längst fortgeronnen,
die Hänge abwärts, lang schon gräbt
niemand nach ihnen mehr; der Hirsch
tritt an den Bach und trinkt.

Verborgen schlummern wie zwei Muscheln,
noch unterm weichen Stein.
Der Adler fliegt im Traum.
Die Heimat ist tief innen nun,
im Bergbach blankes Gold,
ganz unberührt.

Verborgen wie zwei Muscheln schlummern,
dort unterm Schnee, hoch oben im Gebirg.

So. 10.10.1999, Tübingen, Denzenbergstraße, die dritte Strophe am So. 27.02.2000 Tübingen, Denzenbergstraße, anlässlich der Liedaufnahme

 

Geborgen

Der Sturm ist vorbei, Bäume zersplittert,
auf halber Höhe ein Stamm gekappt,
der Himmel streift über entblößtes Holz.
Du bist in meinem Herzen geborgen.

Die Wolken wandern einfach fort.
Besitzen: Nicht viel. Nur die Sonne, der Wind.
Vor ihnen der Raum ist so weit und so frei.
Du bist in meinem Herzen geborgen.

Lach unter der Brücke. Doch wenn der Mond steigt,
wird der Atem schwer und die Angst.
Der Wein versickert im Gras.
Du bist in meinem Herzen geborgen.

Di. 16.05.2000, Tübingen, Denzenbergstraße, daheim

 

Licht entfacht

Die dunkle Nacht
hat ein Licht entzündet,
und du bist erwacht
und hast verkündet,
da wäre ein Licht.
Doch weil alle schliefen,
hörten sie nicht,
im Traum, im tiefen.

Der helle Tag
hat Stille geboren.
Zum Ritterschlag
hat sie dich erkoren.
Du hörtest ihr Herz.
Du trägst ihre Fahnen
gen abendwärts,
und kannst es schon ahnen:

Die dunkle Nacht
wird ein Licht entzünden,
und du bist erwacht
und wirst verkünden,
da wäre ein Licht.
Doch weil alle schlafen,
hören sie nicht,
im Traum, bei den Schafen.

So. 05.09.1999, Tübingen, Alter Botanischer Garten; 2. Strophe fast ganz neu und 3. Strophe dazu Sa. 20.05.2000, Tübingen, Denzenbergstraße

 

Lös dich von allen Dingen

Lös dich von allen Dingen,
da bleibt nur Raum und Zeit,
und um dich – sind es Schwingen?
in der Ewigkeit.

Der Atem durch Äonen,
so lang die Feder fällt.
Willst du hier aber wohnen,
dann wird daraus die Welt.

Du findest dich dann wieder
am Waldbach weich im Sand
und lauschst der Vögel Lieder
und drehst noch mal die Hand.

Mo. 23.08.1999, Tübingen, Denzenbergstraße

 

Zieht

Zieh, Sonne, zieh, zieh deinen Bogen,
Zieh, Sonne, zieh, zieh deinen Bogen,
zieh.

Zieh, Mond, zieh, zieh deinen Bogen,
Zieh, Mond, zieh, zieh deinen Bogen,
zieh.

Zieht, Sterne, zieht, zieht euren Bogen,
Zieht, Sterne, zieht, zieht euren Bogen,
zieht.

Steig, zieh Kreise durch das Blau!
Frag nicht wie ich heiße, lausch und schau!

Zieht, Herzen, zieht, zieht euren Bogen,
Zieht, Herzen, zieht, zieht euren Bogen,
zieht.

Zieht, Seelen, zieht, zieht euren Bogen,
Zieht, Seelen, zieht, zieht euren Bogen,
zieht.

Sa. 03.06.2000, Tübingen, Denzenbergstraße

 

In diese Träume reichen

Ein Wort, ein Glas, im Tanz sich wiegen,
dann einfach miteinander liegen,
ein Traum, weich in der späten Luft,
am Fenster der Holunderduft.
Da ist die Welt so still und wahr,
der Atem tief, das Glas ist klar.
Aufs Dach spielen vom Weltall Zeichen.
Ob sie in diese Träume reichen?

Der Wind aus Süden, Wind aus Norden
löschen sich aus hier zwischen Worten.
Dein Haar, die Linien des Gesichts
im Zitterschein des Kerzenlichts.
Der Wind aus Ost, der Wind aus West
löschen sich aus, wenn du sie lässt.
Aufs Dach spielen vom Weltall Zeichen.
Ob sie in diese Träume reichen?

Mo. 05.06.2000, Tübingen, Denzenbergstraße

 

Am Himmel pochen

Hör Tauben gurren, Regentropfen
sind aufgereiht noch aus der Nacht.
Ein leeres Schneckenhaus. Dran klopfen.
Doch niemand hat dir aufgemacht.
Am Himmel pochen kannst du nicht,
der strahlt dir offen ins Gesicht.

Poch, poch, die Amsel pfeift vom Giebel.
Poch, poch, Holunderduft liegt schwer.
Poch, poch, der Mann zeigt in die Bibel.
Poch, poch, das Vogelnest ist leer.
Die Tür steht offen, geh hinein.
Du bringst mir einen bunten Stein.

Dein Weg da: weit steht er dir offen.
Verschließt sich etwas, geh vorbei.
Hast du die Schnecke wo getroffen?
Dann sag ihr einfach, du bist frei.
Am Himmel pochen brauchst du nicht,
der strahlt dir immer ins Gesicht.

Mi. 07.06.2000, Tübingen, Denzenbergstraße

 

Weißt du wie der Stern steht

Weißt du, wie der Stern steht?
Weißt du, was für ein Stern es ist?
Ist es der unsere?
Ist es irgend einer der vielen dort droben?
Weißt du, wie der Stern steht?

Weißt du, was dein Herz schlägt?
Weißt du, was für Schläge es sind?
Sind es die unseren?
Sind es einfach Schläge der vielen da drinnen?
Weißt du, was dein Herz schlägt?

Mi. 14.06.2000, Tübingen, Denzenbergstraße

 

Junivollmond

Junivollmond,
hinter Sonnenlichtwänden
verborgen, vertan.
Würd es doch Nacht.

Grüne Augen unter der Stille.
Flüstern von kleinen Dingen der Liebe.
Junivollmond.

Doch du gehst in den Wald unter den Sternen.
Doch du sitzt da im Wald unter den Sternen.
Doch du träumst da im Wald unter den Sternen.
Doch du tanzt da im Wald unter den Sternen.

Junivollmond.

Fr. 16.06.2000, Tübingen, Denzenbergstraße

 

Wie lang

Wie lang? Wie lang?
Wie lang geht die Stunde noch und wo endet die Zeit?
Nimmt das Meer den Bach wohl auf in seine Ewigkeit?
Wie lang? Wie lang?
Auf dem Meeresgrunde liegt die Muschel weich im Sand.
In ihr wächst die Perle, träumt von einem hohen Land.
Wie lang? Wie lang?
Auf dem Alpengipfel starrt die Muschel aus dem Stein.
Schnee fällt und die Muschel will dem Mond noch näher sein.
Wie lang? Wie lang?
Seine Spuren setzt ein Bär und tritt die Muschel frei.
Sterne blinken und von fern ein abgerissner Schrei.
Wie lang? Wie lang?
Schnee stürzt übern Hang und lässt die Steine dann im Bach.
Sand löst mit der Schmelzflut sich und treibt der Strömung nach.
Wie lang? Wie lang?
Wie lang geht die Stunde noch und wo endet die Zeit?
Nimmt das Meer den Bach wohl auf in seine Ewigkeit?
Wie lang? Wie lang?
Auf dem Meeresgrunde liegt die Muschel weich im Sand.
In ihr wächst die Perle, träumt von einem hohen Land.
Wie lang? Wie lang?

Mi. 21.06.2000, Tübingen, Denzenbergstraße

 

Träumt

Ein Zweig wiegt hin, ein Zweig wiegt her.
Im Wind sich wiegen ist nicht schwer.
Ein Zweig wiegt hin, ein Zweig wiegt her,
der Betonträger träumt.

Ein Bach fließt durch den Wiesengrund
einfach dahin – die Welt ist bunt.
Ein Bach fließt durch den Wiesengrund.
Dein Zimmer: aufgeräumt.

Die Distel und der Schmetterling:
so schön – da fliegt das leichte Ding.
Die Distel und der Schmetterling …
Du hast die Welt versäumt.

Die Wolken treiben um die Welt.
Sich bilden, lösen … Regen fällt.
Die Wolken treiben um die Welt.
Die Frau dort stirbt und träumt.

So. 09.07.2000, Tübingen, Denzenbergstraße

 

Hin und her

Grashalm, hin und her
im Wind, es ist nicht schwer.

Feder, hin und her
im Wind, es ist nicht schwer.

Zweiglein, hin und her
im Wind, es ist nicht schwer.

Eiche, hin und her
im Wind, es ist doch schwer.

Menschlein, hin und her
im Wind, es ist doch schwer.

Do. 13.07.2000, Tübingen, Denzenbergstraße

 

Wunderbare Welt

Hinein ins Sehen
– hinein in die wunderbare Welt.
Hinein ins Hören
– hinein in die wunderbare Welt.
Hinein ins Riechen
– hinein in die wunderbare Welt.
Hinein ins Schmecken
– hinein in die wunderbare Welt.
Hinein ins Fühlen
– hinein in die wunderbare Welt.

Gib acht, gib acht
– im Sog der wunder-wunderbaren Welt.
Gib acht, gib acht
– im Sog der wunder-wunderbaren Welt.
Gib acht, gib acht
– im Sog der wunder-wunderbaren Welt.
Gib acht, gib acht
– im Sog der wunder-wunderbaren Welt.
Gib acht, gib acht
– im Sog der wunder-wunderbaren Welt.

So. 16.07.2000, Tübingen, Denzenbergstraße

 

Julivollmond

Julivollmond,
hinter Wasserfäden verborgen.
Sehnsucht findet die Richtung nicht,
dumpf, gebückt, vor beschlagenem Spiegel,
tastet das eigne Gesicht.
Julivollmond.

Spräche die Maske,
hätte die Maske gesprochen.
Schlösse der Ring sich,
wäre der Ring schon geschlossen.
Sänge dein Herz,
wäre das Lied ganz aus Liebe.

Julivollmond,
hinter Wasserfäden verborgen.

So. 16.07.2000, Tübingen, Denzenbergstraße

 

Nichts endet dort

Die Rosen stehen nun im Schatten,
der Abendwind bläst aus der Stadt,
wo `s Abend so schon gar nicht hat,
nur Wechselschicht und einen platten
Schaltübergang zum Neonlicht.
Nichts endet dort. Nur hier: die Blätter
am Boden, Dämmerungsgezeter
der Amseln. Und ein Dorn, der sticht.
Nichts endet dort. Nur hier: die Blätter
am Boden, Dämmerungsgezeter
der Amseln. Was im Herzen sticht.

Mi. 05.07.2000, Tübingen, Alter Botanischer Garten

 

So ferne Stimmen

Im Rosenduft die fernen Stimmen,
so sanft, aus der Erinnerung.
Wie fast erloschne Feuer glimmen,
und sind wie ehedem so jung.
Die Zeit weiß nichts von Pfeil und Bogen,
sie ist nur so ein weites Meer.
Die Wale sind längst fortgezogen,
doch ihre Lieder klingen her.

Sa. 22.07.2000, Tübingen, Alter Botanischer Garten

 

Auf Rosenblättern

Augustvollmond, die Nacht ist lau.
Im Park Tanzschritte – nur noch Spuren,
auf Rosenblättern, von der Frau,
von mir. Die Luft klingt wie von Suren.
Geleier Glück – mondblaue Nacht,
hab eine Feder dir gebracht.

Drüben ist laut, Weinflaschen gehen,
im Kreis, und Lachen. Doch dein Reigen
dreht fort, nur ich kann ihn noch sehen,
auf Rosenblättern. Sie nur zeigen
die Wahrheit, niemals Radio,
nie Fernsehen, Zeitung oder so.

Nur noch der Mond. Und stiller Klang,
wie wenn ein Glas zerbricht, die Ferne,
am Himmel ists, viel Stunden lang.
Auch ich tanz auf den Blättern gerne.
Überall Fenster. Augensee.
Und in mir irgendwo kühl Schnee.

Mo. 14.08.2000, Tübingen, Denzenbergstraße

 

Winterduft

Elster auf dem Winterbaum,
gib mir bunte Schätze,
irgend so ein linder Traum
in die leeren Netze.

Elster auf dem Winterast,
gib mir bunte Fäden,
irgend so ein Träumegast,
soll sich nicht verspäten.

Elster tief im Wintergras,
gib mir süße Reime,
gib vom Glanz mir irgend was
zu dem Honigseime.

Elster durch das Wintergrau,
gib mir süße Töne,
irgend so ein Funken Blau
noch für meine Schöne.

Elsterfeder durch die Luft,
Sonnenschauer färben,
gib mir von dem Winterduft
und den bunten Scherben.

Mi. 07.02.2001, Tübingen, Denzenbergstraße

 

Die Astern da ums Haus

Die Augen werden müde,
der Atem geht schon schwer.
Du bist nicht mehr die Blüte
und bist doch noch nicht leer.

Vorm Fenster tschilpen Spatzen
ums leere Schneckenhaus.
Da ist nichts zu verpatzen,
die Schule ist lang aus.

Da weht nur durch die Bäume
das helle Sonnenlicht,
weht bis in deine Träume.
Du wartest, dass es spricht.

Es hat noch nie gesprochen,
bloß etwas tief in dir,
das hast du auch gerochen,
wie so ein fremdes Tier.

Die Sonne zieht den Bogen,
der Mond geht unsichtbar.
Die Spatzen sind verflogen,
das Schneckenhaus ist wahr.

Und Sternensamen treiben
vor deinen Augen weg.
Wo werden sie wohl bleiben,
in dieser Welt? Im Dreck.

Die Rosen dann im Garten,
die Astern da ums Haus.
Vorbei die wilden Fahrten,
du streckst die Hand nicht aus.

Mo. 02.07.2001, Tübingen, Denzenbergstraße

 

Die Heide

Vernarbte Panzerspuren,
dein Blick sucht nach dem Bienenstock.
Von irgendwo weht Suren
der Wind um einen Häuserblock.
Und wieder da die Heide,
den Bienen eine Weide.

Ich will nur immer singen,
die Worte sind schon alle gleich.
Und wird das Lied gelingen,
dann flackert kurz das Himmelreich
auf dieser öden Heide,
den Bienen eine Weide.

Ich will nur immer schweigen,
der Atem geht tief aus und ein,
mich vor dem Stock noch neigen,
im Augenblick der Wahrheit sein,
auf dieser öden Heide,
den Bienen eine Weide.

Nur Schritt vor Schritt zu gehen,
oder zu sitzen, in dem Gras.
Die Winde werden wehen
gleich wie du atmest, und das Aas
wird faulen auf der Heide,
den Bienen eine Weide.

Durch „Ja“ und „Nein“ die Sterne,
gerade in der tiefsten Nacht.
Man sagt, sie seien ferne,
und nahe sei nun schon die Schlacht,
auf dieser weiten Heide,
den Bienen eine Weide.

So schichtest du die Stille
um dich, sie wächst auf in das Blau,
das stimmt nur um die Stille,
Kolonnen fahren in das Grau,
auf dieser weiten Heide,
den Bienen eine Weide.

Di. 24.12.2002, Tübingen, Denzenbergstraße

 

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