Im virtuellen Land

Volker Friebel (2023): Im virtuellen Land. Lieder. Audio-Album. Label: Edition Blaue Felder (LC 99060). Distributor: MusicHub. EAN: 4064946242562. Laufzeit: 38:25 Minuten.

1 Wiedergeboren 2:59
2 Virtuelles Land 4:57
3 Allein 3:22
4 Der See im Wald 2:56
5 Lass die Spatzen pfeifen 3:46
6 Letzter Tanz 3:13
7 Hymnen und Mut 5:53
8 Dunkles Licht (Astern) 3:47
9 Auferstanden 2:26
10 Das Glück holt uns ein 5:06

Veröffentlichung: Mo. 16.10.2023.
Playlist auf YouTube.

Text und Musik aller Lieder: Volker Friebel
Es ist das neunte Album des Projekts Tausend Lieder

Das Album ist wie meine anderen Alben vollständig auch auf meinem Audio-Kanal bei YouTube hörbar:
https://www.youtube.com/channel/UCa9r52JGr9BVzUg6PTWFFAg/playlists

Eine Playlist bei Spotify mit jeweils vier Liedern aus jedem bisher erschienenen Album: Spotify – Tausend Lieder.

 

Wiedergeboren

Duftendes Heu.
Aus ihrer gefallenen Welt
zirpt eine Grille.

Was nehmen die Menschen ihr Leben
für wichtig. Und das ists auch.
Doch die Gräser werden noch nach ihnen sein,
aus ihrer Asche werden sie sprießen
und aufgehen ins Blau.

Die Gräser haben ihren Erlöser
schon immer gefunden.
Es ist das Licht.
Und auch die Grille ist da,
wiedergeboren. Und sie zirpt.

Und vielleicht hören Menschen zu.
Vielleicht lächeln sie.
Vielleicht klagen sie einander ihr Leid.
Es ist diese Welt, in der
du glücklich sein kannst.

Vom Grashalm hat sich ein Käfer
gelöst – mit geöffneten Flügeln
und fliegt.

Do. 07.09.2023, Schönbuch bei Tübingen-Bebenhausen, Bank am Vogelbrünnele, Bettelweg, nachmittags

 

Virtuelles Land

Schmelzende Gletscher,
ein geschienter Schmetterlingsflügel.
Wir ziehen uns zurück
in ein virtuelles Land,
nachdem wir an der Wirklichkeit versagten.
Kauf Kleider und Bilder,
schöpf Welten aus Nichts.
Mit Ziffernfolge ist jede Kopie einmalig echt.

Sieben Schwäne erheben sich aus dem See,
fliegen dem Horizont zu, wo sie sich verwandeln
in Zahlenreihen, die bald blasser werden,
die sich auflösen, in ziehenden Nebel.

Gestern gab es den Schwur,
gab es Blutsbrüderschaft, gab es den Handschlag,
das Wort – heute gibt es Kontrakte,
verteilt über alle Rechner der Welt,
nur nicht im Herzen.

Die Schmetterlingsklinik erwartet
einen neuen Gast. Ob das ich bin, ob
irgendein anderer, ob vielleicht du:
Die Zahlenkolonnen
verraten es nicht.
Über den Himmel wandert
noch immer der Mond.

Mi. 06.07.2022, bei Sils Maria, Bank auf Chasté, nachmittags

 

Allein

Die Läden mit Schmuck
und kunstvollen Masken für dich
und dein schüchternes Herz.
Glasperlen fangen das Licht.

Die Lieder zum Takt
der Arbeit, im Morgenradio,
die Mühlen dir zu versüßen,
im Meer erlogener Gefühle.

Die Türme aus Stein,
die hoch in den Himmel wachsen
und immer noch höher hinauf,
ohne ihn je zu erreichen.

Wir sind zusammen aufgewachsen
in den engen Zimmern des Glücks.
Wir haben zusammen wirklich gesungen,
wir haben zusammen geträumt,
wir haben die bunte Trommel geschlagen,
wir haben die grauen Wände so weit
auseinandergerückt und mit Ramsch behangen,
dass wir die Welt nicht mehr sehen.
Nun sind wir ganz allein
in der Weite. Nun sind wir
allein.

So. 10.07.2022, Schönbuch bei Tübingen-Bebenhausen, Bank am Schwefelbrünnele, mittags

Der See im Wald

Den See im Wald, ich hab ihn gern,
die Blumen auch an seinem Saum.
Aus seiner Schönheit blinkt ein Stern
und blitzt und wird zu meinem Traum.

Ein Traum aus Vögeln, Schilf und Sang
des Windes und dem Flügelschwung
von Schmetterlingen, Glöckchenklang –
ein Bär am Ufer ist so jung.

Die Liebste schloss die Augen schon.
Ich schließ sie auch. Vom Himmelsstrich
ein Donner noch in diesen Ton
vom Frieden, und ins Herz ein Stich.

Die langen Gräser wiegt der Wind,
wir wiegen uns im Tanz, ganz leicht.
Auch wenn wir längst verloren sind,
ein Hauch, der durch die Weiden streicht.

Doch hörst du nicht vom See schon lang,
wie gut es in der Welt sich wohnt?
Die Tage gehen ihren Gang,
und durch die Nächte scheint der Mond.

Sa. 28.05.2022, Bank am Kohlweiher, Schönbuch, mittags

 

Lass die Spatzen pfeifen

Lass die Spatzen pfeifen,
sie geben niemals Ruh.
Lass die Spatzen pfeifen,
doch hör der Amsel zu.
Von den Beeren pflück ich
die guten mir.
Von den Beeren pflück ich
die süßen dir.

Was die Wölfe heulen,
fragt sich kein Gewehr.
Was die Wölfe heulen,
macht den Kopf mir schwer.
Wolken mag ich gerne,
sie ziehen schnell vorbei.
Und ich mag die Sterne,
denn sie machen frei.

Lass die Ketten klirren,
weißt so, wer du bist.
Lass die Ketten klirren,
bis du es vergisst.
Tanz im Takt der Pauken,
aber sing dazu.
Soll das Lied was taugen,
sei einfach du.

Was die Tauben gurren,
weiß nur ich allein.
Dass die Tauben gurren,
rührt nicht einen Stein,
rührt nicht eine Katze,
rührt auch nicht den Baum,
und die kleinste Tatze
zuckt selbst noch im Traum.

Lass die Spatzen pfeifen,
sie geben niemals Ruh.
Lass die Spatzen pfeifen,
doch hör der Amsel zu.
Von den Beeren pflück ich
die süßen mir.
Von den Beeren pflück ich
die guten dir.

Sa. 25.06.2022, Tübingen, Denzenbergviertel, daheim, morgens

 

Letzter Tanz

Von Vogellauten getragenes Licht –
Wind weht hindurch, pflückt bunte Blätter
für einen Tanz.

Der Mann und die Frau sind stehen geblieben,
haben ihre Arme umeinander gelegt,
um mitzutanzen.

Was soll die Liebe denn sonst,
hier im Wind?

Was soll die Liebe denn sonst,
zwischen fallendem Laub?

Was soll die Liebe denn sonst,
zwischen Lauten der Vögel?

Mi. 05.10.2016, Wanderung Onstmettingen – Hechingen, mittags

 

Hymnen und Mut

Amsel, im Regen sing.
Licht blitzt aus deinen Klängen.
In diesem Meer aus Schatten
bist du die ganze Welt.

Amsel, im Regen sing.
Matsch spritzt von kalten Ketten.
Dein Lied aus Glut und Honig
zieht uns die Hoffnung auf.

Amsel, im Regen sing.
Dein sind nun Nacht und Dickicht.
Zwischen den schwarzen Dornen
wogt Himmel – und ein Duft.

Hymnen.
Hymnen aus Nacht und Glut.
Hymnen dem süßen Leben,
Hymnen und Mut.

So. 16.04.2023, Tübingen, Denzenbergviertel, daheim, abends

 

Dunkles Licht

Astern,
dunkles Licht an einem Morgen
des Krieges.

Die Biene trägt den Nektar
nicht mehr zum Stock. Ihre Flügel
sind schwer. Sie hat sich niedergelassen
im Staub des Weges, müd geworden
vom Menschendunst.
Sie wird hier sterben,
während die Tür eines Autos knallt,
während im Radio munter
die neuesten Zahlen des Niedergangs scheppern,
während Elfenfäden treiben, irgendwohin
in eine Zukunft in der irgendein neuer
Anfang ist.

Dunkles Licht
an einem Morgen des Krieges.
Astern.

Do. 29.09.2022, Tübingen, Denzenbergviertel, morgens

 

Auferstanden

Im Brennnesselfeld
rostet ein Pflug. Vögel pfeifen ringsum
von den Wundern der Erde.

Das Leben ist auferstanden,
überwuchert die letzten Knochen
des Menschen. In Grashalmen
jubelt das Licht vom Sieg
über die Dunkelheit.
Auch die Liebe der Menschen verging,
wie das Wirtschaftswachstum,
wie der Rauch der Kanonen.
Die Liebe war zu schwach
für das Brennen in ihm,
dem Menschen.

Im Brennnesselfeld
rostet ein Pflug. Vögel pfeifen ringsum
von den Wundern der Erde.

Do. 14.07.2022, Schönbuch bei Tübingen-Bebenhausen, Bank am Schwefelbrünnele, vormittags

 

Das Glück holt uns ein

Der Lärm aus Lastern und Autos
ebbt in der Nacht etwas ab.
Nun werden die Träume deutlicher,
unterm schwebenden Mond.
Wir sind in der Wirklichkeit gefangen.
Die Schwerkraft, die Gitterstäbe –
wir biegen sie, sie biegen uns,
wir scherzen sie uns zurecht, im Lokal.

Bestell ein Glas noch vom saueren Wein.
Bestell noch mehr Kerzenschein.
Der Papagei hat bunte Federn und plappert,
bis der Wirt schließt.
Dann draußen vor der Türe
stehen wir und lauschen dem Wind.
Und folgen doch nicht den pfeilschnellen Zügen,
sondern dem Kind.

Hörst du hinter Wällen das Meer?
Der Betonmischer ist umgestürzt.
Wir haben uns niedergelassen am Strand.
Das Glück holt uns ein, im Sand.

Sa. 29.07.2023, Tübingen, Bushaltestelle Landestheater, mittags

 

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